DIE TÜRHÜTER
«Das Schloss» ist neben «Amerika» und «Dem Process» einer der drei unvollendeten Romane Franz Kafkas. Das 1922 entstandene Werk wurde 1926 von Max Brod postum veröffentlicht. Es schildert den vergeblichen Versuch des Landvermessers K. um Anerkennung seiner beruflichen und privaten Existenz durch ein geheimnisvolles Schloss und dessen Vertreter. Kafka erzählt die Geschichte des Landvermessers K., der in einem Dorf am Fuss eines Schlossbergs versucht, seiner Arbeit und einem ordentlichen Leben nachzugehen. All seine Bemühungen werden aber von der geheimnisvollen Macht der Schlossbehörde durchkreuzt. Der Einfluss der Bürokratie durchdringt alles und jeden, die Beamten sind unantastbar. K. kämpft verzweifelt um Anerkennung, er bleibt jedoch im Dorf ein Fremder und für die Schlossbehörde ein Störenfried. Die Schilderungen sind albtraumhaft, düster und mysteriös, doch zugleich oft grotesk-komisch. Einzigartig ist Kafkas Schreibstil: Kaum eine Aussage kann als gesichert akzeptiert werden, alles wird sogleich relativiert und infrage gestellt. Das Schloss ist ein Werk, das bis heute nichts von seiner ursprünglichen Kraft verloren hat und das noch immer zutiefst faszinierend wirkt. Der Roman verweist auf Kafkas kurze Parabel «Vor dem Gesetz», die von einem Mann vom Lande erzählt, der Einlass vor dem Gesetz begehrt, aber von einem TÜRHÜTER abgewiesen wird. Er wartet sein ganzes Leben, ohne je einzutreten. Am Ende erfährt er, dass der Eingang nur für ihn bestimmt gewesen ist und nun geschlossen wird.
Kafkas Prosatexte können als Metapher für eine höhere, aber unzugängliche Macht oder Ordnung gelesen werden, fast so unzugänglich wie der Zugang zu den Epstein- oder Kennedy-Files, den kürzlich freigegebenen Gerichtsunterlagen im Zusammenhang mit den Zivilklagen gegen Jeffrey Epstein bzw. den staatlichen Geheimdokumenten zur Ermordung von John F. Kennedy im Jahr 1963, die viele jahrzehntelang unter Verschluss waren und deren Inhalte bis heute Verschwörungstheorien anheizen. Ein weiterer TÜRHÜTER steht zurzeit vor Fort Knox, dem Lager für die Goldreserve des Schatzamtes der Vereinigten Staaten, dem sogenannten United States Bullion Depository. Bekanntlich befindet sich eine der grössten Goldmengen der Welt in Fort Knox, deren Bestand freilich nur intern und stichprobenartig überprüft wird. Eine vollständige, unabhängige Prüfung hat seit über 50 Jahren nicht stattgefunden. Die US-Regierung hält das bislang für ausreichend, Kritiker und Verschwörungstheoretiker sehen darin allerdings einen möglichen Mangel an Transparenz, insbesondere da in den letzten 8 bis 10 Wochen rund 2’000 Tonnen Gold Europa verlassen und in die USA geflossen sind.
Welches Phänomen steckt hinter dieser weltweit grössten physischen Goldbewegung in Friedenszeiten? Liegt der wahre Grund in dem angekündigten Audit der Bücher und der Goldbestände in Fort Knox durch das Department of Government Efficiency, DOGE? Dort sollten nämlich insgesamt 8’000 Tonnen Staatsgold liegen, das dem amerikanischen Bürger gehört. Ganz alles wird wohl nicht verschwunden sein, doch die 2’000 Tonnen ausgeliehenen Goldes nähren den Verdacht, dass ein Teil der Lücke gestopft werden sollte. Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die chinesische Zentralbank weiterhin Gold in noch nie dagewesenen Mengen kauft, da die globale Finanzwelt ihre Schulden abbaut, indem Investoren ihre Kreditforderungen gegen Gold tauschen. So kaufte die chinesische Zentralbank im Jahr 2024 heimlich 570 Tonnen und förderte damit den Aufstieg von Gold in den weltweiten internationalen Reserven um 4%, den grössten Zuwachs seit vier Jahrzehnten.
Wie sehr Gold zurzeit gesucht und begehrt ist, zeigt sich nicht nur am Wertzuwachs gegenüber dem USD von 35% innerhalb der letzten 52 Wochen, sondern auch an der Stabilität des Preises im Zusammenhang mit den jüngsten Börsenereignissen und dem ungebremsten Aktien-Ausverkauf an der Wall Street. Allein gestern Freitag fiel der Dow Jones Industrial-Index um 5,50% auf 38.314,86 Zähler. Am Vortag war der weltweit bekannteste Aktienindex bereits um 4% gefallen, nachdem US-Präsident Donald Trump umfangreiche Importzölle angekündigt hatte. Im gleichen Zeitraum fiel Gold zwar auch, allerdings lediglich um 2.42% auf jetzt 3’039 USD.
Wer will, kann sich von hier aus die Frage stellen, wo der Goldpreis nach der angekündigten Überprüfung steht, wenn sich herausstellen sollte, dass die Goldbestände tatsächlich lückenhaft sind.
Christoph Frei, Akademisches Lektorat, CH-8032 Zürich
Bild:
Antike goldene Punic- Münze aus Carthage, 310 v. Chr.